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Trotz der massiven Einschränkungen durch die politische und wirtschaftliche Krise (z.B. große Probleme überhaupt Benzin für Fahrten zu bekommen) haben unsere Partner im Libanon mit der finanziellen Unterstützung aus dem Leylaprojekt mehr als 70 traumatisierten Flüchtlingsmüttern Hilfsangebote machen können. Zunächst gab es Angebote für 6 Gruppen von je 12-15 Müttern (z. B. zu Trauma sowie zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen). Dann wurden mit 30 Müttern in Gruppen- und Einzelsitzungen Achtsamkeitsübungen, die Arbeit mit inneren Persönlichkeitsanteilen und den eigenen Bedürfnissen vertieft. Eine Gruppe von Müttern und deren Kinder war besonders belastet und durch die Kinderschutzbeauftragten an Ithraa vermittelt worden.

In der anderen Müttergruppe waren besonders junge Mütter, die alle im Alter von 13-18 Jahren geheiratet hatten. Eigentlich ist den wenigsten der Mütter durch ihre Ehemänner erlaubt, das Haus zu verlassen und sie fühlen sich im Gastland Libanon erniedrigt und nicht anerkannt. Allen Müttern gab das Leylaprojekt die Möglichkeit, ihre eigene Stimme zu finden und sich in all ihrer Not auszudrücken und eine echte Gemeinschaft zu erleben.

Mit 13 Jahren zwangsverheiratet

So öffnete sich Khadija z.B. zum ersten Mal überhaupt anderen Menschen und berichtete, dass sie im Alter von 13 Jahren nach ihrer Weigerung zu heiraten so lange von ihren Eltern eingeschlossen und geschlagen wurde, bis sie zustimmte. Mit 14 entband sie eine Tochter, mit deren Bedürfnissen sie völlig überfordert war („wenn die Kleine weinte, wusste ich nicht was ich tun konnte und weinte einfach nur mit…“). Alle Mütter sagten, dass sie nach der Hochzeit jegliche Rechte als Frau verloren und unter Drohung der Schwiegerfamilien als einzige Aufgabe das Gebären vieler Kinder hätten. Bei Nichterfüllung würden sie durch Zweitfrauen ersetzt werden.

Familienmitglieder verloren, ohne sich verabschieden zu können

Von ihren eigenen Familien hören viele nach der Hochzeit nie wieder und fühlen sich einsam und verlassen. Dazu kommen die traumatischen Erfahrungen von allen durch Krieg, Verfolgung (ISIS) und Flucht. Jede hat mindestens ein Familienmitglied (auch eigene Kinder) verloren, ohne sich verabschieden zu können und verzweifelt versucht, ihre Kinder vor dem Anblick furchtbaren Leids zu schützen.

Alle Mütter sind in Sorge um die Zukunft ihrer Kinder, die im Libanon selten an Schulen angenommen werden. Sie müssen oft schon im jungen Alter von ca. 12 Jahren beginnen zu arbeiten, um die Familie zu unterstützen. In diesen viel zu frühen Jobs sind die Kinder dem Missbrauch ungeschützt ausgeliefert. Die Väter in den Familien kommen nach einem harten Arbeitstag erschöpft nach Hause und reagieren wenig verständnisvoll und mit Gewalt auf die normale Lautstärke und das Dasein ihrer Kinder in einem überfüllten „Ein-Zimmer-Zuhause“. Alle Mütter haben Angst, dass ihre Ehemänner nach Syrien zurückkehren wollen, obwohl viele Deserteure der Armee sind und alle ihr komplettes Hab und Gut an Gangs zur Fluchthilfe verkauft haben. Sie wünschen sich, dass auch ihre Ehemänner ihre Sorgen, Ängste und Nöte ausdrücken können und ihnen zugehört wird, damit sich für die ganze Familie etwas verbessern kann.

„Ich spreche jetzt viel freundlicher mit meinen Kindern. Ich weiß, dass dies ihre Zukunft verändern und sie zu anderen Menschen machen wird.“

Die Erfahrungen im Leylaprojekt helfen den Müttern ihren Wert zu erkennen und wahrzunehmen, dass sie von ihren Ehemännern und Familien zu Unrecht entwürdigend behandelt werden. Sie wünschen sich für ihre Kinder eine bessere Zukunft und möchten den Teufelskreis durchbrechen, indem auch ihre Ehemänner einbezogen werden. Die Mütter fühlen sich durch die Erlebnisse im Leylaprojekt viel ruhiger und können ihren Kindern mit deutlich mehr Verständnis und Wertschätzung begegnen („Ich spreche jetzt viel freundlicher mit meinen Kindern. Ich weiß, dass dies ihre Zukunft verändern und sie zu anderen Menschen machen wird.“). Gerade den jungen Müttern hat die Arbeit mit den Anteilskarten besonders gefallen („Diese Karten helfen mir, meine eigene innere Welt klarer zu sehen.“). Alle Mütter nehmen Hoffnung und Stärkung mit, die ihnen sonst niemand gibt. In den Fotos und Bildern haben sie Botschaften der Hoffnung und ihre Dankbarkeit ausgedrückt.

Dr. Ann-Katrin Bockmann